Ehe?
Vorab vielleicht ein paar Worte zur persönlichen Situation.
Die erste Ehe hielt vierzehn Jahre, daraus gibt es einen Sohn, der zum Zeitpunkt der Scheidung 11 Jahre alt war. Die Scheidung liegt 25 Jahre zurück (gibts es eigentlich so etwas wie "Silberne Scheidung"?
).
Ich bin jetzt im 12-ten Jahr zum zweiten Mal verheiratet. Die Ehe ist kinderlos.
Sicher hat sich im Lauf der Zeit meine Einstellung zur Institution Ehe geändert. Weggefallen ist in jedem Fall die romantische Verklärung des Vorgangs der Eheschließung. Weggefallen ist auch die Vorstellung eines auf Ewigkeit ausgelegten Bündnisses. Weggefallen ist weiter die Annahme, Ehe wäre die "normale" Endstufe eines Prozesses, wie er zum Zeitpunkt meiner ersten Ehe noch (unreflektiert) im Kopf fest verankert war (verliebt-verlobt-verheiratet).
Entwickelt hat sich und geblieben ist die Erkenntnis, dass Ehe ein formaler Vertragsabschluss ist, mit dem eine geschäftsmäßige Partnerschaft begründet wird, ähnlich der Gründung einer Firma. Und mit ähnlichen juristischen Konsequenzen. Allerdings werden viele diesen Vertrag unterschrieben haben und auch noch tun, ohne einen Blick in die AGB, also das "Kleingedruckte" geworfen zu haben oder zu werfen.
Neben diesem rein geschäftlichem Vertragsabschluss sollte nicht vergessen werden, dass ein Bündel moralischer Rechte und Pflichten von den Vertragspartnern akzeptiert wird, jedenfalls nach landläufiger gesellschaftlicher Norm, der Moral eben.
Der juristisch relevante Teil regelt eine ganze Reihe von Dingen, was ja durchaus sinnvoll und positiv sein kann. So zum Beispiel Fragen der Versorgung (insbesondere auch nach dem Tod eines der Vertragspartners), der gegenseitig eingeräumten Vollmachten im Geschäftsverkehr etc. etc.). Wenn also vertragliche Regelungen sinnvoll und für die Beteiligten positive Konsequenzen haben, dann ist es unterm Strich egal, ob die mit Vertragsunterzeichnung akzeptierte Regelwerk mit dem Begriff
Ehe belegt wird oder ob es z.B. "
eingetragene Partnerschaft" heißt oder wie auch immer. Wenn der Begriff Ehe in diesem Zusammenhang überholt klingt, so würde das jedem anderen Begriff m.E. nach einiger Zeit genau so widerfahren. Also kann man den Begriff auch ruhig weiter verwenden.
Wichtiger, weil vermutlich in den Köpfen der Beteiligten auch präsenter, ist dagegen der moralische Aspekt. Dieses ungeschriebene Regelwerk. Ein Regelwerk, dass durch gesellschaftliche Entwicklung Veränderungen unterliegt und an vielen Stellen sogar zu Änderungen der Vertragsklauseln geführt hat.
Ein erstes Beispiel mögen die "Bis-das-der-Tod-Euch-scheidet"- und die "In-guten-wie-in-schlechten-Zeiten"-Klauseln angeführt sein. Eine Vertragsauflösung, sprich Scheidung, ist inzwischen (im allgemeinen) kein moralisch verwerflicher Akt mehr. Wenn die Gemeinschaft nicht mehr tragbar ist, ist sie auf Wunsch der Vertragspartner kündbar, wenn auch das Procedere nicht ganz so einfach ist wie der Vertragsabschluss. In der Konsequenz wurde das Eherecht entsprechend angepasst. Früher (und das ist noch gar nicht einmal so lange her) waren dort explizit Scheidungsgründe aufgeführt, die für viele noch so Vertragsmüde nicht anwendbar waren, mit der Folge dass die Ehe fortzusetzen war.
Als zweites Beispiel mag die "eheliche Treue" herhalten. Untreue (auch gerne Ehebruch genannt) war ein Scheidungsgrund im Sinne des Eherechts, mit der Folge, dass der Rechtsbrecher "schuldig" geschieden wurde. Das war ein übler gesellschaftlicher Makel, der da am Gesetzesbrecher haftete. Heute wird Treue eher als moralische Verpflichtung betrachtet, ist für sich per se kein Scheidungsgrund, könnte allerdings als wichtiges Indiz für die Feststellung der "Zerrüttung" dienen.
Ich frage mich manchmal, wie ein Regelwerk, das Treue definitiv fordert bzw. forderte, mit "erlaubter Untreue" umginge bzw. umging.
Ich kann mich (leider) nicht erinnern, von einem Fall gehört zu haben, in dem der Familienrichter sich in einem Scheidungsprozess (warum ist der überhaupt nötig, wenn sich z.B. die Vertragspartner einig sind, den Vertrag zu lösen?) mit der Frage beschäftigen musste, wer denn nun bei einem Swinger-Ehepaar mit außerehelichen Sexualkontakten beider Beteiligten der "schuldhafte Ehebrecher" sei.
Fazit für mich: Verträge können gut und richtig sein. Das muss jeder selbst für sich entscheiden. Am Recht der Vertragsfreiheit hat sich ja nichts geändert. Ob der Begriff dafür "Ehe" lauten muss, ist sicher Geschmacksache.
Ich kann mir allerdings vorstellen, dass andere Beziehungsmodelle und -konstellationen, z.B. Dreier-, Vierer- oder Multibeziehungen im Sinne von "eingetragenen Poly-WGs" ebenso vertragsfähig werden könnten wie z.B. die sogenannten "Homo-Ehen". Warum auch nicht? Dass nur zwei einen "Ehevertrag" schließen können, muss nicht in Stein gemeißelt sein.
Atarax